Mobilität, Zugehörigkeit, Staatsbürgerschaft
In den letzten Jahrzehnten hat die Zahl der Menschen, die sich innerhalb von und über Grenzen hinweg bewegen, wesentlich zugenommen, was unter anderem auf die Mobilität in Verbindung mit Migration, Humanitarismus und Tourismus zurückzuführen ist. Die Zunahme unterschiedlicher Formen der Mobilität hat zugleich eine gegenläufige Tendenz hervorgerufen: den Drang, Grenzen zu schließen, Einheimische zu schützen, Fremde auszuschließen und die Macht in verschiedenen nationalen, regionalen, ethnischen und religiösen Gruppen zu verankern. Der Wunsch, Souveränität zurückzugewinnen und bestimmte lokale Gemeinschaften abzuschotten, geht Hand in Hand mit Versuchen, Moral, kulturelle Werte und soziale Reproduktion zu sichern. Gleichzeitig haben die einschneidenden rechtlichen Einschränkungen der Mobilität – sei es im Zusammenhang mit Covid-19, dem Brexit oder dem EU-Grenzregime – die Freizügigkeit bestimmter Personengruppen zutiefst politisiert und Mobilität sowohl zu einem Ort als auch zu einem Vehikel von Ungleichheit, Ausgrenzung und sozialer Stratifikation gemacht.
Die Überschneidung zunehmender Formen von Migration und Mobilität mit verstärkten Kämpfen um Zugehörigkeit und Staatsbürgerschaft hat neue Dynamiken und Dilemmata hervorgebracht, so beispielweise in Bezug auf: Geld, Lebensqualität und Wohlstand; Persönlichkeit, Moral und Respektabilität; Jugend, Altern und Generation; Geschlecht, Ehe und Verwandtschaft; Immobilität, Isolation und Einsamkeit; Rituale und Religion; Nationalismus und Terrorismus. Mit dieser Forschungsagenda gehen wir ethnographischen Fragen nach, wie die zunehmende Überlappung von Mobilität, Zugehörigkeit und Staatsbürgerschaft soziale Phänomene beeinflusst und zu unerwarteten Arrangements führen. Wir fragen: Welche Formen von Subjektivität, Werten oder sozialer und politischer Organisation entstehen in diesen Kontexten? Und was sagen diese Phänomene über die gegenwärtige politische Ordnung und den Zustand der Welt aus?